23. Oktober 2019, 5:53 Uhr
Ein kleiner Junge wird von seinen Eltern übersehen und ist enttäuscht. Ines Bauschke denkt dabei darüber nach, wie wichtig es ist angesehen zu werden von Menschen, die man liebt.
Den Kinderwagen sehe ich zuerst. Ein niedriger Faltkinderwagen, den man an ein Fahrrad anhängen kann. Darin sitzt ein kleiner Junge und lutscht behaglich ein Eis. Eine Hand schiebt sich ins Bild. Sie richtet das Verdeck des Wagens auf. Diese Hand gehört einem zweiten Jungen, vielleicht neun Jahre alt, wohl der Bruder des Kleinen. Mich beeindruckt, wie sorgfältig und konzentriert der große Bruder vorgeht. Er befestigt das Verdeck am Wagen, nimmt sich dafür Zeit, lächelt seinem kleinen Bruder zu.
Von der Terrasse eines Altstadtcafes in Brügge aus beobachte ich diese Szene, die sich auf dem historischen Marktplatz abspielt. Das Verdeck ist nun fertig aufgerichtet und befestigt. Der große Bruder ist zufrieden und offensichtlich auch ein bisschen stolz auf sein Werk. Mit einem Strahlen wendet er sich nun seinen Eltern zu, als ob er fragen wolle: Na, habe ich das gut gemacht?
Und die Eltern? Sie stehen bei ihren Fahrrädern – und alle beide, Vater wie Mutter, gucken mit gesenkten Köpfen auf ihre Smartphones. Keiner von beiden hat etwas mitbekommen. Jetzt steht der Junge etwas verloren da. Er wurde nicht gesehen, und auch jetzt sieht ihn keiner an. Ich sehe Enttäuschung in seinem Gesicht.
Ich weiß, die kleine Szene ist eine Momentaufnahme. Wahrscheinlich sind Vater und Mutter beides liebende Eltern, die ihre Kinder in anderen Situationen sehr wohl wahrnehmen. Wahrscheinlich darf ich das alles nicht überinterpretieren.
Ich merke nur anhand dieser einen Szene, wie wichtig es ist, von anderen gesehen zu werden. Das gilt für kleine Menschen ebenso wie für große. Angesehen werden, das bedeutet auch, Ansehen zu bekommen. Wir leben davon, dass andere uns freundlich, achtungsvoll oder liebevoll ansehen. Wer einem Menschen wehtun will, kann das zum Beispiel durch gezieltes Wegsehen tun. Hinsehen ist wichtig für die Beziehungen untereinander.
Das weiß auch die Bibel. Zum Beispiel in dem Segenswort, das am Ende eines Gottesdienstes den Anwesenden zugesprochen wird: „Gott segne dich und behüte dich. Gott lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.“ Gottes leuchtendes Angesicht, Gottes liebevoller Blick – dass das Frieden schenkt, leuchtet mir ein. So stelle ich mir Gott vor: Als einen, der mich freundlich ansieht. Und diesen freundlichen, liebevollen Blick brauchen wir auch untereinander und füreinander. Immer wieder, Große und Kleine.
Auf meiner Terrasse im Altstadtcafé gucke ich noch mal hinüber zu der Familie mit den beiden Jungen. Die Eltern haben ihre Smartphones jetzt eingesteckt. Sie haben sich ihrem ältesten Sohn zugewandt, der ihnen begeistert etwas erzählt. Alle lächeln, alle sehen einander an.
Die beiden Söhne und ihre Eltern, [2:59]
Autorin: Ines Bauschke, Pastorin
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 23. Oktober 2019, 05:53 Uhr
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